I. Einleitung
"Die Vernunft hat obsiegt - jedenfalls
aus französischer Sicht."
Knapp zusammengefaßt soll dies
das Ergebnis der Berliner Ratsversammlung im März diesen
Jahres gewesen sein: die Agrarreform allenfalls ein "Reförmchen",
eine Trendwende bei den Nettobelastungen nur in bescheidenem
Maße, die Osterweiterung der Union in weiter Ferne.
Die vor dem Gipfel zum deutschen Oberthema
der Agenda 2000 auserkorene "Beitragsungerechtigkeit" war
damit nicht nur aus den Konferenzpapieren verschwunden, sondern
auch aus dem Vokabular von Regierung und Opposition. Deutschland
bleibt somit Zahlmeister der Union, wobei die Zahlungen sogar
noch weiter ansteigen sollen.
Es scheint tatsächlich die französische
Position gesiegt zu haben. Die vor dem Berliner Gipfel ausgegebene
Linie, im Bereich der Finanzierung der Agrarbeihilfen notfalls
auch allein bis zum Äußersten zu gehen, konnte
erfolgreich durchgesetzt werden.
Gegen diesen Trend soll das vorliegende
Referat zunächst die Zusammenhänge der Gemeinsamen
Agrarpolitik mit den Haushaltsbelastungen einzelner Mitgliedstaaten
der Europäischen Union erläutern und anschließend
zu den Lösungsansätzen Stellung nehmen.
II. Historische
Entwicklung
Die europäische Landwirtschaft war
stets ein nicht nur rational bestimmter Politikbereich. In
allen heutigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
widerfuhr ihm schon lange eine Sonderbehandlung durch Subventionen,
Stützen und anderen Sicherungen. Der Grund hierfür
lag in der besondere Alters- und Einkommensstruktur in diesem
Sektor sowie in dem Gefühl, im Bereich der Nahrungsversorgung
möglichst unabhängig von anderen Staaten sein zu
müssen.
Bei der Einführung des gemeinsamen
Marktes nach Art. 2 EGV war daher auch und gerade im Bereich
der Landwirtschaft eine gemeinsame Politik vonnöten.
Art. 32 (ex-38) hob diesen Sachverhalt besonders hervor, wobei
in Art. 33 II (ex-39 II) die eigenständige Behandlung
der Landwirtschaft ausdrücklich begründet und berücksichtigt
wurde.
Im Jahre 1958 fand in Stresa die vom
Art. 37 I (ex-43 I) vorgeschriebene Regierungskonferenz zur
Erarbeitung gemeinsamer Grundlinien in der Agrarpolitik statt.
Im sog. 1. Mansholt-Plan erstellte die Kommission Vorschläge,
die in den Jahren 1959-62 zur Einführung der ersten Marktordnungen
sowie zur Begründung des Prinzips der gemeinsamen Finanzierung
führten.
Durch die VO Nr. 25 des Rates vom 4.4.1962
wurde entsprechend Art. 34 III (ex-40 IV) der Europäische
Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
(EAGFL) errichtet. Zunächst finanzierte sich der Fonds
nach einem besonderen Schlüssel, erst 1970 wurde er in
den Gesamthaushalt eingegliedert. Nach einer zunächst
politischen Entscheidung und einem relativ niedrigem Budget
stellte sich nun mit dem stetigen Ansteigen der Agrarausgaben
mehr und mehr die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit.
Als Indikatoren für eine gerechte
Verteilung wurden dabei Nettosalden, also die Gegenüberstellung
der Zahlungen an die Gemeinschaft einerseits und der monetären
Rückflüsse andererseits, herangezogen. Trotz erheblicher
Zweifel an der Aussagefähigkeit solcher Berechnungen
und dem Hinweis auf so nicht meßbare lntegrationsgewinne
sind diese Salden nun als Transferanzeiger etabliert und letztlich
wohl auch unumgänglich.
Da das Beteiligunssystem gemessen am
BSP-Anteil insgesamt wohl als gerecht anzusehen ist, liegt
das Problem der Nettozahlungen in den unterschiedlichen Rückflüssen
aus dem EU-Haushalt. Unter diesem Vorzeichen ist nun die unterschiedliche
Belastung der Mitgliedstaaten zu untersuchen.
III. Begriffsklärungen
1. Finanzielle
Solidarität
Im Agrarrecht haben sich drei Prinzipien
herausgebildet. Das erste ist das Marktprinzip, nach welchem
sich der freie Agrarwarenverkehr sowie eine gemeinsame Außenhandelspolitik
etabliert hat.
Als zweites besteht der Grundsatz der
Gemeinschaftspräferenz. Dieses vor Geltung des Amsterdamer
Vertrages noch in Art. 44 II kodifizierte Prinzip war ursächlich
für den Schutz des Agrarinnenmarktes gegen Niedrigpreisimporte.
Als Folge der beiden genannten Prinzipien
hat sich der Grundsatz der Gemeinschaftsfinanzierung, der
finanziellen Solidarität, herausgebildet: aus der Aufgabenverantwortung
der Gemeinschaft erwachse auch die Ausgabenverantwortung.
Der Grundsatz der finanziellen Solidarität
besagt daher, daß die Kosten einer gemeinsamen
Politik wie der Agrarpolitik von der Gemeinschaft zu tragen
sind. Auf eine vertragliche Rechtfertigung dieses Prinzips
wird im folgenden eingegangen.
2.
Umverteilung
Durch die europäische Agrarpolitik
werden große Finanzströme gesteuert. Dabei sind
zwei Arten von Umverteilung festzustellen.
Zum einen werden Finanzmittel vom Verbraucher
an die Landwirte weitergereicht, da die letzteren ihre Erzeugnisse
über Weltmarktniveau verkaufen können. Obwohl die
Verbraucher dadurch erhebliche Mehrausgaben in Kauf nehmen
müssen, ist dieser Sachverhalt wenig kontrovers.
Zu Konflikten führt aber stets diejenige
Umverteilung, die durch die Verteilung Kosten der Gemeinschaftspolitiken,
insbesondere auch der Agrarpolitikkosten, auf die Mitgliedstaaten
der Union entsteht. Die sog. Nettozahler, also diejenigen
Staaten, die bei Verrechnung ihrer Zahlungs- und Rückzahlungssalden
ein positives Ergebnis verbuchen konnten, beklagen eine überproportionale
Belastung durch die Gemeinschaftsfinanzierung.
Solchen Beschwerden gegenüber wird
erwidert, daß eine bloße Saldierung nur zur wenig
wünschenswerten Erzeugung eines Gewinner- und Verliererbildes
führe, dabei aber nicht die sog. Integrationsgewinne
erfasse. Diese Argumentationsweise kann jedoch nicht verdecken,
daß die gemeinsame Finanzierung erhebliche Verteilungswirkung
hat.
Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang
von einem überstaatlichen Finanzausgleich gesprochen.
Obgleich Anklänge an eine Art vorbundesstaatlichen Finanzausgleich
zu erkennen sind, ist die begriffliche Nähe zum bundesdeutschen
Finanzausgleich jedoch verfehlt. Dort nämlich schafft
der Finanzausgleich unter dem Gesichtspunkt der Gewaltverteilung
Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder. Im
derzeitigen Integrationsstadium der Europäischen Union
ist eine derartige Bewertung noch nicht angemessen. Der budgetäre
Finanztransfer erfolgt vielmehr aufgrund der zahlreichen Integrationsaufgaben
der Gemeinschaft sowie aus politischen Gründen, wie nachfolgend
dargestellt wird.
IV. Grundlagen
der Gemeinschaftsfinanzierung
Für eine gemeinschaftliche Finanzierung
der Agrarausgaben gibt es keine ausdrückliche vertragliche
Bestimmung. Trotzdem ist die Einführung der Gemeinschaftsfinanzierung
nicht nur eine politische Entscheidung, sondern Niederschlag
verschiedenster Vertragsbestimmungen.
1. Art.
34 III (ex-40 IV) EGV
Einige Stimmen sehen den Grundsatz der
finanziellen Solidarität in Art. 34 III (ex-40 IV) EGV
festgeschrieben. Da die Landwirtschaftsfonds gemeinsam organisiert
werden sollen, sei somit auch eine gemeinsame Finanzierung
vorgesehen. Dies wird jedoch unter Berufung auf den Charakter
dieser Kann-Bestimmung von anderen verneint. Die finanzielle
Solidarität in der Agrarpolitik wird dort als Folge der
Ziele in Art. 33 und 34 II (ex-39 und 40 III) angesehen.
2. Art. 2
EGV
Zudem wird Art. 2 EGV zur Begründung
herangezogen, der "die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten"
fördern will (vgl. Art. 2 EGV a.E.). Eine Ausprägung
dieses Prinzips finde sich in Art. 158 (ex-130 a), in dem
auf die oben beschriebene Umverteilung zugunsten rückständiger
Regionen "einschließlich der ländlichen Gebiete"
eingegangen wird.
3. Präambel
zum EUV, Art. 2 I (ex-Art. B) EUV
Die Präambel des EUV sowie Art.
2 I (ex-Art. B) EUV nennen als Aufgaben der EU die "Überwindung
der Teilung des europäischen Kontinents" und das Bedürfnis
nach "festen Grundlagen" sowie die "Stärkung des wirtschaftlichen
und sozialen Zusammenhalts". Diese Ziele seien bei "juste
retour" im formellen Sinne, also bei der Einzahlung entsprechenden
Einzahlungen nicht zu verwirklichen. Ein solches Bedürfnis
nach Umverteilung bildet damit eine weitere Grundlage für
die Gemeinschaftsfinanzierung.
4. VO Nr.
25 des Rates vom 4.4.1964, insbes. Art. 2 II der VO
Art. 2 II der VO lautet folgendermaßen:
"Da in der Endphase des gemeinsamen
Marktes einheitliche Preissysteme und eine gemeinschaftliche
Agrarpolitik bestehen, sind die hieraus erwachsenden finanziellen
Folgen von der Gemeinschaft zu tragen."
Zunächst ist dazu festzustellen,
daß die Agrarpolitik der Gemeinschaft im Kern zur ausschließlichen
Gesetzgebung gehört. Daher ist das Subsidiaritätsprinzip
nicht oder nur sehr begrenzt anwendbar.
An dieser Stelle läßt sich
auch die unterschiedliche Behandlung der Abteilungen des EAGFL
erklären. Die Maßnahmen des EAGFL-Abteitung Ausrichtung,
die gemeinsame Maßnahmen des Strukturbereichs betreffen,
sind als gemischt gemeinschaftlich-staatliche durchzuführen.
Dabei werden den Mitgliedstaaten bei Planung und Durchführung
weite Entscheidungsspielräume eröffnet. Zudem ist
wesentliches Ziel der Strukturpolitik die Förderung benachteiligter
Gebiete, daß ohne starke Umverteilung nicht zu erreichen
ist.
Entsprechend bestimmt VO 17/64/EWG des
Rates vom 5.2.1964:
"Um die Maßnahmen der Gemeinschaft
und der Mitgliedstaaten aufeinander abzustimmen, erscheint
es zweckmäßig, daß die aus dem Fonds
zu finanzierenden Vorhaben die Zustimmung des betreffenden
Mitgliedstaates finden und dieser sich an der Finanzierung
beteiligt."
Die Unterscheidung zwischen verschiedenen
Finanzierungsarten beim EAGFL ist somit nicht grundlos. Der
Strukturbereich mit großen Einflußmöglichkeiten
auf Seiten der Mitgliedstaaten wird nur kofinanziert, während
der ausschließlich von der Gemeinschaft geregelte Garantiebereich
von der Gemeinschaft auch voll finanziert wird.
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß
die Zuordnung einer Maßnahme zu einer der beiden Abteilungen
leider häufig eine politische Differenzierung erfahren
hat.
5. Rechtspolitisches
Prinzip
Bei aller Herleitung aus Vertragsbestimmungen
war die finanzielle Solidarität in der Agrarpolitik auch
immer rechtspolitisches Prinzip. Dieses Prinzip ist Folge
eines Kompromisses zwischen Agrar- und Industrieinteressen
bei der Ausgestaltung der Gemeinschaft.
Es wurde zudem auf dem Umstand verwiesen,
daß die Ausgaben der Agrarpolitik allen Landwirten der
Gemeinschaft unterschiedslos zugutekommen. Eine länderspezifische
Differenzierung sei damit nicht vereinbar.
V. Probleme
und Alternativen
1. Die Nettobelastung
Der Grundsatz der finanziellen Solidarität
hat in einigen Mitgliedstaaten, namentlich in der Bundesrepublik
Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Schweden und
im Vereinigten Königreich, zur Bildung eines "Haushaltsungleichgewichts"
geführt.
Dabei ist nicht das Negativsaldo an sich
Ursache für die Unzufriedenheit. Vielmehr wird die Höhe
der Salden als außer Verhältnis zur Beitragskapazität
der belasteten Staaten stehend angesehen. Zudem gebe es andere
Mitgliedstaaten mit ähnlicher Finanzkraft, die jedoch
deutlich weniger belastet oder gar positive Salden aufweisen
würden.
Pro-Kopf-BSP in Kaufkraftstandards
1997 (EUR-15=100)
|
Land
|
BRD
|
NL
|
A
|
S
|
VK
|
F
|
DK
|
BSP/Kopf
|
109,4
|
106,0
|
112,6
|
93,7
|
100,3
|
104,3
|
112,5
|
Zur Lösung dieser Ungleichgewichte
wurden von den betroffenen Staaten Vorschläge unterbreitet,
die nun untersucht werden.
2. Rabattlösungen
Zu den Schlußfolgerungen des Rates
von Fontainebleau gehört folgender Auszug:
"Es ist (...) beschlossen worden,
daß jeder Mitgliedstaat, der gemessen an seinem
relativen Wohlstand eine zu große Haushaltslast
trägt, zu gegebener Zeit in den Genuß einer
Korrekturmaßnahme gelangen kann."
Aufgrund dieser Verabredung wurde 1985
ein Beitragsrabatt zugunsten des Vereinigten Königreiches
eingeführt. Zur Lösung der eben dargestellten Probleme
böte sich somit ein entsprechender Beitragsrabatt für
alle Länder mit übermäßiger Belastung
an.
Dabei würde vom Nettobeitrag eines
Mitgliedslandes ein Schwellenwert, der die obere Grenze für
eine angemessene Nettobelastung darstellt, abgezogen und von
diesem Saldo eine bestimmte Quote "erlassen". Dieser Betrag
würde dann auf alle übrigen Staaten verteilt. Als
Maßstab für eine angemessene Belastung wurden hierbei
0,3-0,4 % des BSP genannt.
Nettobelastung in % BSP für
1997
|
Land
|
BRD
|
NL
|
A
|
S
|
VK
|
F
|
DK
|
% BSP
|
-0,60
|
-0,71
|
-0,40
|
-0,59
|
-0,16
|
-0,06
|
0,05
|
Bei Einführung eines generellen
Rabattsystems bleibt die eigentliche Ursache, die sicherlich
auf der Ausgabenseite liegt, unverändert. Das insgesamt
ausgewogene Beteiligungssystem würde durch eine Rabattregelung
ohne konzeptuellen Rückhalt wieder durcheinandergebracht.
Wie am derzeitigen Rabatt für das
Vereinigte Königreich außerdem festzustellen, ist
eine solche Regelung durchaus nicht frei von Schwierigkeiten.
Im Falle einer Rabattgewährung für
alle o.g. Nettozahler müßte die daraus resultierende
Summe auf die bisherigen Empfängerländer aufgeteilt
werden. Es erscheint nicht zweckmäßig, einerseits
durch Zahlungen eine positive Entwicklung in rückständigen
Regionen anzustreben und andererseits den eigenen Beitragsnachlaß
durch eben diese Regionen finanzieren zu lassen. Zudem ist
der Vorwurf der Gruppierung von Reich und Arm denkbar nah
und einem erwünschten innereuropäischen Zusammengehörigkeitsgefühl
nicht dienlich.
Insgesamt ist eine Rabattlösung
nicht geeignetes Mittel, um den Schwierigkeiten der Mittelverteilung
zu begegnen. Statt dessen muß eine Lösung gerade
an der Ausgabenseite ansetzen.
3. Kofinanzierung
Insbesondere von der Bundesregierung
wurde in der Vergangenheit die Möglichkeit einer Kofinanzierung
der Agrarpolitik vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um eine
Abweichung vom Grundsatz der Gemeinschaftsfinanzierung mit
der Folge, daß die Mitgliedstaaten sich an den Ausgaben
der Abteilung Garantie, wie schon in der Strukturpolitik praktiziert,
zu einem festzusetzenden Prozentsatz beteiligen.
Beziehen würde sich die Mitfinanzierung
allerdings nicht auf die gesamten Garantieausgaben. Lediglich
die direkten Einkommensbeihilfen für Landwirte sollen
davon betroffen sein, da diese im Gegensatz zu den ursprünglichen
Interventions- und Marktstützungsmaßnahmen nur
eine innerstaatliche Umverteilung bezwecken. Eine solche sei
dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend besser auf nationaler
Ebene durchzuführen.
Durch eine solche Rückverlagerung
auf die nationalen Haushalte wird erwartet, daß die
Mitgliedstaaten mit den nun im nationalen Haushalt auszuweisenden
Beträgen verantwortungsvoller umgehen. Die Möglichkeit,
die Agrarausgaben wegen der Kompetenzverlagerung aus den nationalen
politischen Diskussionen heraushalten zu können, würde
damit wegfallen. Schließlich sei auch zu erwarten, daß
die Mitgliedstaaten ein wachsendes Interesse an einer wirksamen
Kontrolle der korrekten Mittelverwendung entwickeln.
Die Wirkung dieser nationalen Mitfinanzierung
würde zudem durch die fortschreitende Reduzierung der
Interventionsmaßnahmen begünstigt, durch welche
der relative Anteil an den Stützungsmaßnahmen steigen
wird.
Die Kofinanzierung in der Agrarpolitik
wird nun als der europäischen Integration zuwiderlaufende
Renationalisierung angesehen. Dazu ist zunächst anzumerken,
daß die Agrarpolitik nach nunmehr vierzig Jahren gemeinsamer
Politik unauslösbarer Bestandteil der gemeinsamen Marktpolitik
ist. Solange aber die Grundprinzipien des gemeinsamen Marktes
nicht angetastet würden, seien Renationalisierungen in
Teilbereichen durchaus möglich. Es ist zu beachten, daß
durch die Kofinanzierung weder die Höhe der Zahlungen
noch die EU-Entscheidungshoheit in diesem Bereich angetastet
würde.
Andererseits arbeitete die gemeinsamer
Agrarpolitik bisher stets auf der Grundlage der finanziellen
Solidarität, welche sogar als ihr wichtigster Teil angesehen
wurde. Da die neuerliche Umstellung von lnterventionsmaßnahmen
zu Direktbeihilfen sich aus dieser Grundlage heraus entwickelt
hat, ist nicht ohne weiteres einzusehen, warum nun die Gemeinschaftsfinanzierung
entbehrlich sein soll.
Die Einführung einer kofinanzierten
Agrarpolitik ist letztlich ebenso wie eine Rabattlösung
eine politische Korrektur der als ungerecht empfundenen Belastung.
Zieht man jedoch eine mögliche langfristige Reduzierung
der Garantieausgaben und zudem eine Verlagerung in den Bereich
der Strukturförderung in die Überlegungen mit ein,
so scheint der Konflikt zwischen den Gewinnern und Verlierern
der Agrarpolitik auf diese Weise wenigstens etwas entschärft
werden zu können.
VI.
Zusammenfassung
Trotz aller sicherlich berechtigten Zweifel
an der Aussagefähigkeit von Finanzierungssalden ist ein
umfangreicher Ressourcentransfer innerhalb der Mitgliedstaaten
der Europäischen Union festzustellen.
Da die Union gegenwärtig einen Staatenverbund,
aber noch keinen Bundesstaat verkörpert, ist insoweit
auch die Frage nach einer "gerechten" Belastung bzw. Entlastung
gerechtfertigt. Bei dem immer engeren Zusammenschluß
der europäischen Völker werden national geprägte
Gerechtigkeitsideale langfristig jedoch eine immer weniger
entscheidende Rolle spielen. Selbstverständlich muß
gleichzeitig eine zweckmäßige Umverteilung und
nicht Sicherung "heiliger Kühe" oberstes Ziel des Finanzausgleichs
sein.
Die Entwicklung zu einem derartigen Staatenbund
darf natürlich nicht von völligem Verzicht auf sinnvolle
Finanzierungsregelungen geprägt sein. Gerade bei Vorschlägen,
die keine Radikalumkehr aller europäischen Prinzipien,
sondern nur eine eher rudimentäre Anpassung an Mindesterfordernisse
des Minderheitenschutzes für Nettozahlerstaaten darstellen,
wäre ein wenig Kooperationsbereitschaft sicher nicht
fehl am Platz.
Bei allen Vergleichen und bei allem Unbehagen
ist jedoch nicht aus den Augen zu verlieren, daß es
sich beim Unternehmen Europäische Union nicht nur um
eine kurzfristige Investition handelt, sondern um die Chance,
endlich die Europa trennenden Schranken zu beseitigen.
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